Lineare Algebra

Die lineare Algebra (auch Vektoralgebra) ist ein Teilgebiet der Mathematik, das sich mit Vektorräumen beschäftigt. Ähnlich wie in anderen Teilgebieten der Mathematik, sind die strukturerhaltenden Abbildungen, welche in der linearen Algebra die linearen Abbildungen sind, von besonderem Interesse. Diese können durch Matrizen repräsentiert werden. Die lineare Algebra schließt insbesondere auch die Betrachtung von linearen Gleichungssystemen mit ein.

Vektorräume und deren lineare Abbildungen sind ein wichtiges Hilfsmittel in vielen Bereichen der Mathematik. Außerhalb der reinen Mathematik finden sich Anwendungen unter anderem in den Naturwissenschaften, in der Informatik und in der Wirtschaftswissenschaft (zum Beispiel in der Optimierung).

Die lineare Algebra entstand aus zwei konkreten Anforderungen heraus: einerseits dem Lösen von linearen Gleichungssystemen, andererseits der rechnerischen Beschreibung geometrischer Objekte, der sogenannten analytischen Geometrie (daher bezeichnen manche Autoren lineare Algebra als lineare Geometrie).

Ein Vektorraum ist eine algebraische Struktur, die in vielen Teilgebieten der Mathematik, insbesondere in der linearen Algebra verwendet wird. Die Elemente eines Vektorraums heißen Vektoren. Sie können addiert oder mit Skalaren (Zahlen) multipliziert werden. Das Ergebnis ist wieder ein Vektor desselben Vektorraums. Entstanden ist der Begriff, indem diese Eigenschaften ausgehend von Vektoren des euklidischen Raumes abstrahiert wurden, so dass sie dann auf abstraktere Objekte wie Funktionen oder Matrizen übertragbar sind.

Die Skalare, mit denen man einen Vektor multiplizieren kann, stammen aus einem Körper. Deswegen ist ein Vektorraum immer ein Vektorraum über einem bestimmten Körper. Sehr oft handelt es sich dabei um den Körper $\mathbb{R}$ der reellen Zahlen oder den Körper $ \mathbb{C} $ der komplexen Zahlen. Man spricht dann von einem reellen Vektorraum bzw. einem komplexen Vektorraum.

Eine Basis eines Vektorraums ist eine Menge von Vektoren, die es erlaubt, jeden Vektor durch eindeutige Koordinaten darzustellen. Die Anzahl der Basisvektoren in einer Basis wird Dimension des Vektorraums genannt. Sie ist unabhängig von der Wahl der Basis und kann auch unendlich sein. Die strukturellen Eigenschaften eines Vektorraums sind eindeutig durch den Körper, über dem er definiert ist, und seine Dimension bestimmt.

Eine Basis ermöglicht es, Rechnungen mit Vektoren über deren Koordinaten statt mit den Vektoren selbst auszuführen, was manche Anwendungen erleichtert.

Definition 1.1: Innere Verknüpfung

Sei $M$ eine Menge. Eine innere Verknüpfung $\circ$ von $M$ ist eine Vorschrift, welche je zwei Elementen $a, b \in M$ in eindeutiger Weise ein weiteres Element aus der Menge $M$ zuordnet. Wir können die innere Verknüpfung als Abbildung

$$ \circ : M \times M \to M, \quad (a, b) \mapsto a \circ b $$

auffassen.

Beweis

Definition 1.2: Gruppe

Eine Gruppe ist ein Paar $(G, \circ)$ bestehend aus einer Menge $G$ und einer inneren Verknüpfung $\circ: G \times G \to G$, $(a, b) \mapsto a \circ b$, mit den Eigenschaften

G1

Assoziativgesetz: $(a \circ b) \circ c = a \circ (b \circ c)$ für alle $a, b, c \in G$.

G2

Neutrales Element: Es gibt ein $e \in G$ so dass $e \circ a = a$ für alle $a \in G$ gilt.

G3

Inverses Element: Für alle $a \in G$ existiert ein $a' \in G$ mit $a' \circ a = e$.

Falls zusätzlich das Kommutativgesetz, $$ a \circ b = b \circ a \quad \text{für alle } a, b \in G, $$ gilt, so heißt die Gruppe abelsch.

Beweis

Bemerkung 1.3 zu Gruppen

Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe. Es gilt:

i)

Ist $a'$ invers zu $a \in G$, dann gilt $a \circ a' = e$. Das heißt wenn das inverse Element $a'$ von $a$ von rechts durch die Verknüpfung $\circ$ mit dem Element $a$ verknüpft wird, so ergibt dies ebenfalls das neutrale Element $e$. In G3 wird lediglich die Existenz eines inversen Elements $a'$ beschrieben, welches durch die Verknüpfung $\circ$ von links mit dem Element $a$ das neutrale Element ergibt. Hier wird also beschrieben, dass die Reihenfolge der beiden Elemente $a$ und $a'$ bei deren Verknüpfung keine Rolle spielt und $a \circ a' = a' \circ a=e$ gilt.

ii)

Sei $e \in G$ ein neutrales Element. Dann gilt $a \circ e = a$ für alle $a \in G$. Das heißt wenn das neutrale Element $e \in G$ von rechts durch die Verknüpfung $\circ$ mit dem Element $a$ verknüpft wird, so ergibt dies ebenfalls das Element $a$. In G2 wird lediglich die Existenz eines neutralen Elements $e$ beschrieben, welches durch die Verknüpfung $\circ$ von links mit dem Element $a$ wieder das Element $a$ ergibt. Hier wird also beschrieben, dass die Reihenfolge bei der Verknüpfung eines Elements $a$ mit dem neutralen Element $e$ keine Rolle spielt und $a \circ e = e \circ a=a$ gilt.

iii)

Es gibt genau ein neutrales Element $e \in G$.

iv)

Zu jedem Element gibt es genau ein inverses Element $a'$, welches man auch mit $a^{-1}$ bezeichnet. Hier wird die Eindeutigkeit des inversen Element beschrieben.

Beweis

i)

Zu $a' \in G$ existiert nach der Definition von Gruppen G3 ein inverses Element $ (a')'=a'' \in G$ mit $a'' \circ a' = e$. Es folgt \begin{align*} a \circ a' &= e \circ (a \circ a') \\ &\text{hier wird das neutrale Element} \ e \ \text{durch} \ a'' \circ a' \ \text{ersetzt} \\ &= (a'' \circ a') \circ (a \circ a') \\ & \text{nach G1 spielt es keine Rolle welche Elemente zuerst verknüpft werden} \\ &\overset{\text{G1}}{=} a'' \circ ((a' \circ a) \circ a') \\ & \text{Da} \ a' \circ a \ \text{das neutrale Element} \ e \text{ergibt, kann dies ersetzt werden} \\ &\overset{\text{G3}}{=} a'' \circ (e \circ a') \\ & \text{Die Verknüpfung mit dem neutralen Element} \ e \ \text{verändert das Element} \ a' \ \text{nicht} \\ &\overset{\text{G2}}{=} a'' \circ a' \\ & \text{da} \ a'' \ \text{das inverse Element zu} \ a' \ \text{ist, ergibt dies das neutrale Element} \ e \\ &= e. \end{align*}

ii)

Es gilt \begin{align*} a \circ e &\overset{\text{G3}}{=} a \circ (a' \circ a) \\ & \text{das neutrale Element} \ e \ \text{ wird durch} \ a' \circ a \ \text{ersetzt} \\ &\overset{\text{G1}}{=} (a \circ a') \circ a \\ & \text{nach G1 spielt es keine Rolle welche Elemente zuerst verknüpft werden} \\ &\overset{(i)}{=} e \circ a \\ & \text{wegen i) kann wegen} \ a \circ a' = e \ \text{der Term} \ a \circ a' \ \text{durch} e \ \text{ersetzt werden} \\ &\overset{\text{G2}}{=} a. \end{align*}

iii)

Sei $e'$ ein weiteres neutrales Element neben dem neutralen Element $e$, welches in G2 beschrieben wird. Es wird nun gezeigt, dass dieses weitere neutrale Element $e'$ das selbe sein muss, wie das neutrale Element $e$. Verknüpft man das weitere neutrale Element $e'$ mit dem neutralen Element $e$ so folgt: \begin{align*} e' &\overset{\text{G2}}{=} e' \circ e \\ & \overset{(ii)}{=} e \end{align*} da die Verknüpfung mit einem neutralen Element nach i) das Element mit dem dieses Verknüpft wird nicht verändert (auch wenn das Element mit dem es verknüpft wird, das neutrale Element ist).

iv)

Sei $a'$ das inverse Element zu $a$ nach G3. Das heißt es gilt $a' \circ a = a \circ a'=e$. Sei $a^{*}$ ein weiteres inverses Element zu $a$. Das heißt es gilt $a^{*} \circ a = a \circ a^{*}=e$. Nun wird gezeigt, dass $a'=a^{*}$ gilt. \begin{align*} a' &=a' \circ e \\ & \text{da} \ a^{*} \ \text{ein inverses Element zu} \ a \ \text{ist, kann} \ e \ \text{durch} \ a \circ a^{*} \ \text{ersetzt werden} \\ &= a' \circ ( a \circ a^{*}) \\ &= (a' \circ a ) \circ a^{*} \\ &= e \circ a^{*} \\ &= a^{*} \end{align*}

Bemerkung 1.4 zu Gruppen

Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe und $a, b \in G$. Es gilt:

i)

$(a^{-1})^{-1} = a$,

ii)

$(a \circ b)^{-1} = b^{-1} \circ a^{-1}$.

Beweis

i)

Nach Bemerkung 1 zu Gruppen iv) existiert zu $a^{-1}$ genau ein inverses Element. Da $a \circ a^{-1} = e$, ist $a$ das eindeutige inverse Element zu $a^{-1}$. Es folgt $(a^{-1})^{-1} = a$.

ii)

Seien $a, b \in G$ Elemente der Gruppe $(G, \circ)$. Es wird gezeigt, dass das inverse Element von $a \circ b$ aus $b^{-1} \circ a^{-1}$ besteht, indem gezeigt wird, dass die Verknüpfung der beiden Elemente das neutrale Element $e$ ergibt.

\begin{aligned}
(a \circ b) \circ (b^{-1} \circ a^{-1}) &= a \circ (b \circ b^{-1} ) \circ a^{-1} \\
&= a \circ e \circ a^{-1} \\
&= a \circ a^{-1} \\
&= e
\end{aligned}

Beispiel 1.5 zu Gruppen

1.

$(\mathbb{Z}, +)$, die Menge der ganzen Zahlen mit der Addition.\\ Das neutrale Element ist $e=0$,\\ Das inverse Element zu $n \in \mathbb{Z}$ ist $-n \in \mathbb{Z}$.\\ Dies gilt auch für $(\mathbb{Q}, +)$ und $(\mathbb{R}, +)$.

2.

$(\mathbb{R}^\times, \cdot)$, wobei $\mathbb{R}^\times = \mathbb{R} \setminus \{0\}$.\\ Das neutrale Element ist $e=1$,\\ Das inverse Element zu $a \in \mathbb{R}$ ist $\frac{1}{a} \in \mathbb{R}$.\\ Dies gilt auch für $(\mathbb{Q}^\times, \cdot)$ und $(\mathbb{R}_{>0}, \cdot)$.

3.

$(\{\pm 1\}, \cdot)$ ist eine Gruppe mit 2 Elementen. Die Gruppentafel lautet \begin{align*} \begin{array}{c|cc} \cdot & +1 & -1 \\ \hline +1 & +1 & -1 \\ -1 & -1 & +1 \\ \end{array} \end{align*}

4.

Hier betrachten wie für eine natürliche Zahl $n$ die Menge $\mathbb{Z} / n \mathbb{Z}$ der Äquivalenzklassen von $\mathbb{Z}$ bezüglich der Äquivalenzrelation Kongruenz modulo $n$, aus Kapitel 1.7.3.\\ Wir definieren eine innere Verknüpfung auf $\mathbb{Z} / n \mathbb{Z}$ durch \begin{align*} \left[ a \right] _n + \left[ b \right]_n := \left[ a + b \right] _n. \end{align*} Dabei sind $a, b \in \mathbb{Z}$ Repräsentanten der entsprechenden Äquivalenzklassen. Wir nennen $[a + b]_n$ auch die \textit{Summe der Äquivalenzklassen} $[a]_n$ und $[b]_n$. Die Definition dieser Summe ist unabhängig von der Wahl der Repräsentanten und damit wohldefiniert. Denn sind $a' \in [a]_n$ und $b' \in [b]_n$ andere Repräsentanten, so gilt $$ [a' + b']_n = [a + b]_n. $$Die Menge $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ wird mit dieser Summe von Äquivalenzklassen zu einer abelschen Gruppe.

5.

Sei $M$ eine Menge. Definiere $$ S(M) = \{ f : M \to M \mid f \text{ist bijektiv} \}, $$ die Menge der bijektiven Abbildungen von $M$ nach $M$, und $$ \circ : S(M) \times S(M) \to S(M), \quad (f, g) \mapsto f \circ g, $$ die Komposition von Abbildungen. Damit ist $\left( S(M), \circ \right)$ eine Gruppe.\\ Neutrales Element ist die Identitätsabbildung, $\text{id}_M : M \to M, \, m \mapsto m$.\\ Inverses Element zu $f$ ist $f^{-1}$, die Umkehrabbildung zu $f$.

Beweis

Lemma 1.6 zu Gruppen

Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe. Für $a,b,c \in G$ folgt aus $a \circ c =b \circ c$ stets $a=b$ und aus $c \circ a=c \circ b$ folgt ebenfalls stets $a=b$.

Beweis

Verknüpfe $a \circ c =b \circ c$ von rechts mit $c^{-1}$ und erhalte $a \circ c \circ c^{-1}=b \circ c \circ c^{-1} \Leftrightarrow a \circ e=b \circ e \Leftrightarrow a=b$.

Verknüpfe $c \circ a=c \circ b$ von links mit dem inversen Element $c^{-1}$ von $c$ und erhalte

\begin{align*}

c^{-1} \circ c \circ a=c^{-1} \circ c \circ b \Leftrightarrow e \circ a=e \circ b \Leftrightarrow a=b

\end{align*}.

Definition 1.7: Halbgruppe

Eine Halbgruppe ist ein Paar $(S, \circ )$, bestehend aus einer Menge $S$ und einer Abbildung $\circ :S \times S \rightarrow S, (a,b) \mapsto a \circ b$ mit der Eigenschaft der Assoziativität:

\begin{align*}

a \circ (b \circ c)=(a \circ b) \circ c$ für alle $a,b,c \in S

\end{align*}

Beweis

Definition 1.8: Untergruppe

Sei $G$ eine Gruppe. Eine Teilmenge $U \subset G$ heißt Untergruppe von $G$ falls gilt:

1.

$e \in U$ (Neutrales Element von $G$ in $U$)

2.

$a,b \in U \Rightarrow a \circ b \in U$(Abgeschlossenheit)

3.

$a \in U \Rightarrow a^{-1} \in U$ (Inverses)

Beweis

Aufgabe 1.9 zu Gruppen

Sei $n \in \mathbb{N}, n > 0$. Für $x, y \in \mathbb{Z}$ schreiben wir \[ x \equiv y \pmod{n} \iff n \text{ teilt } x - y. \]

(a)

Zeigen Sie, dass $\equiv \pmod{n}$ eine Äquivalenzrelation ist.

(b)

Wir betrachten nun die sogenannten Restklassen einer Zahl $k \in \mathbb{Z}$, definiert durch \[ [k]_n = k + n\mathbb{Z} = \{k + nz \mid z \in \mathbb{Z}\}. \] In einer solchen Restklasse liegen also alle Zahlen, die bei Division durch $n$ den gleichen Rest wie $k$ ergeben. Die Menge aller Restklassen schreibt man als $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$.\\ Zeigen Sie $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z} = \{[0], [1], \ldots, [n - 1]\}$.

(c)

Wir definieren Addition und Multiplikation von Restklassen mod $n$ durch \[ [a]_n + [b]_n := [a + b]_n, \] \[ [a]_n \cdot [b]_n := [a \cdot b]_n. \] Zeigen Sie, dass diese Verknüpfungen wohldefiniert sind, dass sie assoziativ und kommutativ sind, und dass $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ eine abelsche Gruppe ist. Zeigen Sie, dass $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, \cdot)$ im Allgemeinen keine Gruppe ist.

Beweis

(a)

i)

$x \equiv x \pmod{n}$ ist klar.

ii)

Seien $x, y \in \mathbb{Z}$ mit $x \equiv y \pmod{n}$, dann gilt auch $y \equiv x \pmod{n}$.

iii)

Seien $x, y, z \in \mathbb{Z}$ mit $x \equiv y \pmod{n}$ und $y \equiv z \pmod{n}$. Das heißt, $n \mid x - y$ und $n \mid y - z$. Dann gilt auch $n \mid ((x - y) + (y - z)) = x - z$, also $x \equiv z \pmod{n}$.

(b)

Die Klassen $[0]_n, \ldots, [n - 1]_n$ sind verschieden, weil $i \equiv j$ für $i \neq j$ und $i, j \in \{0, \ldots, n - 1\}$ nicht der Fall ist. Ist $m \in \mathbb{Z}$, so können wir $m$ mit Rest durch $n$ teilen, d.h. es gibt $k, r \in \mathbb{Z}$ mit $0 \leq r < n - 1$ so dass $m = kn + r$. Modulo $n$ gilt $[m]_n = [kn + r]_n = [r]_n$, d.h. $[m]_n$ ist einer der Klassen $[0]_n, \ldots, [n - 1]_n$.

(c)

Wir müssen zeigen, dass aus $a \equiv a'$ mod $n$ und $b \equiv b'$ mod $n$ folgt, dass $a + b \equiv a' + b'$ mod $n$ und $ab \equiv a'b'$ mod $n$. Die Voraussetzung bedeutet, dass es $k, l \in \mathbb{Z}$ gibt mit $a = a' + kn$ und $b = b' + ln$. Es folgt \[ a + b = a' + kn + b' + ln = a' + b' + (k + l)n \equiv a' + b' \pmod{n} \] und \[ ab = (a' + kn)(b' + ln) = a'b' + a'ln + b'kn + kln^2 \equiv a'b' \pmod{n}. \] Dies zeigt, dass Addition und Multiplikation wohldefiniert sind. Assoziativität und Kommutativität folgen aus den entsprechenden Eigenschaften von $+$ und $\cdot$, z.B. \[ ([a]_n + [b]_n) + [c]_n = [a + b]_n + [c]_n = [(a + b) + c]_n = [a + (b + c)]_n = [a]_n + ([b]_n + [c]_n). \] Das neutrale Element von $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ ist $[0]_n$, denn \[ [a]_n + [0]_n = [a + 0]_n = [a]_n. \] Zu jedem $[a]_n \in \mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ gilt \[ [a]_n + [-a]_n = [a - a]_n = [0]_n. \] $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ ist also eine abelsche Gruppe.\\ $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, \cdot)$ ist im Allgemeinen keine Gruppe, da z.B. für $a = 0$ das Inverse $a^{-1}$ nicht existiert.

Definition 1.10

Ein \textit{Körper} ist ein Tripel $(K, +, \cdot)$ bestehend aus einer Menge $K$ und zwei inneren Verknüpfungen $+$ (Addition) und $\cdot$ (Multiplikation), so dass gilt:

K1

$(K, +)$ ist eine abelsche Gruppe. Ihr neutrales Element wird mit $0$ bezeichnet.

K2

$(K^\times, \cdot)$ ist eine abelsche Gruppe, wobei $K^\times = K \setminus \{0\}$. Ihr neutrales Element wird mit $1$ bezeichnet. Insbesondere ist für $a, b \in K^\times$ auch $a \cdot b \in K^\times$.

K3

Es gelten die Distributivgesetze: $a \cdot (b + c) = (a \cdot b) + (a \cdot c)$ und $(b + c) \cdot a = (b \cdot a) + (c \cdot a)$ für alle $a, b, c \in K$.

Notation:

a)

Für $a \cdot b$ schreibt man häufig $ab$.

b)

Man vereinbart üblicherweise, dass die Multiplikation stärker bindet als die Addition. Damit ist $a \cdot (b + c) = ab + ac$.

Beweis

Bemerkung 1.12

Sei $(K, +, \cdot)$ ein Körper. Es gilt:

i)

$0 \cdot a = a \cdot 0 = 0$ für alle $a \in K$.

ii)

Sind $a, b \in K$ und $a \cdot b = 0$, so folgt $a = 0$ oder $b = 0$.

iii)

Für alle $a, b \in K$ gilt $a \cdot (-b) = (-(a)) \cdot b = -(a \cdot b)$.

iv)

Für alle $a, b \in K$ gilt $(-a) \cdot (-b) = a \cdot b$.

Beweis

Beispiel 1.13

1)

$(\mathbb{Q}, +, \cdot)$, der Körper der rationalen Zahlen.

2)

$(\mathbb{R}, +, \cdot)$, der Körper der reellen Zahlen.

3)

Sei $M = \{g, u\}$ eine zweielementige Menge. Definiere

$ \bigoplus $

g

u

g

g

u

u

u

g

$\bigodot$

g

u

g

g

g

u

g

u

Dann ist $(M, \oplus, \odot)$ ein Körper.

4)

Für ein $n \in \mathbb{N}$ definieren wir eine Multiplikation auf $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ durch $[a]_n \cdot [b]_n = [a \cdot b]_n$. Es gilt dann

$ (\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +, \cdot) \text{ ist ein Körper} \iff n \text{ ist eine Primzahl}. $

Für eine Primzahl $p$ wird der Körper $\mathbb{Z}/p\mathbb{Z}$ mit $\mathbb{F}_p$ bezeichnet.

Beweis

Definition 1.15: Vektorraum

Sei $K$ ein Körper. Ein \textit{Vektorraum} über $K$ (auch $K$-Vektorraum) ist ein Tripel $(V, +, \cdot)$ bestehend aus einer Menge $V$ und zwei Abbildungen

$ +: V \times V \to V, \quad (a, b) \mapsto a + b, $

$ \cdot : K \times V \to V, \quad (\lambda, a) \mapsto \lambda \cdot a, $

so dass:

V1

$(V, +)$ ist eine abelsche Gruppe.

V2

Für die Multiplikation mit Skalaren gilt:

a)

$(\lambda + \mu) \cdot a = \lambda \cdot a + \mu \cdot a,$

b)

$\lambda \cdot (a + b) = \lambda \cdot a + \lambda \cdot b,$

c)

$(\lambda \mu) \cdot a = \lambda \cdot (\mu \cdot a),$

d)

$1 \cdot a = a,$

wobei $\lambda, \mu \in K$ und $a, b \in V$.

Das neutrale Element von $(V, +)$ heißt \textit{Nullvektor}, man bezeichnet es mit $0$ oder $0_V$.

Beweis

Aufgabe 1.16

1)

Entscheiden Sie, ob die folgende Aussage wahr oder falsch ist: Wenn $U_1$ und $U_2$ Untervektorräume eines Vektorraums $V$ sind, ist auch $U_1 \cup U_2$ ein Untervektorraum.

2)

Entscheiden Sie, ob die folgende Aussage wahr oder falsch ist: Zwei Untervektorräume desselben Vektorraums können disjunkt sein.

3)

Im Vektorraum $\mathbb{R}^2$ gelte für paarweise verschiedene Vektoren $a, b, c, d$, dass $\text{Lin}(a, b) = \text{Lin}(c, d)$. Welche der folgenden Behauptungen sind unter dieser Voraussetzung richtig?

(a)

Das Tupel $(a, b, c, d)$ muss linear abhängig sein.

(b)

$a$ und $b$ müssen linear unabhängig sein.

(c)

$a$ muss weder von $c$ noch von $d$ linear abhängig sein.

(d)

Es gilt stets $\text{Lin}(a, c) = \text{Lin}(b, d)$.

4)

Welche der folgenden Behauptungen ist stets in jedem Vektorraum richtig?

(a)

$\text{Lin}(v_1, v_2) = \text{Lin}(v_2, v_1)$.

(b)

$\text{Lin}(v_1, v_2, v_1 + v_2) = \text{Lin}(v_1, v_2)$.

(c)

$\text{Lin}(v_1, v_2, v_1 + v_2) = \text{Lin}(v_1 + v_2)$.

Beweis