Gruppen
Definition 1.1: Innere Verknüpfung
Sei $M$ eine Menge. Eine innere Verknüpfung $\circ$ von $M$ ist eine Vorschrift, welche je zwei Elementen $a, b \in M$ in eindeutiger Weise ein weiteres Element aus der Menge $M$ zuordnet. Wir können die innere Verknüpfung als Abbildung
$$ \circ : M \times M \to M, \quad (a, b) \mapsto a \circ b $$
auffassen.
Beweis
Definition 1.2: Gruppe
Eine Gruppe ist ein Paar $(G, \circ)$ bestehend aus einer Menge $G$ und einer inneren Verknüpfung $\circ: G \times G \to G$, $(a, b) \mapsto a \circ b$, mit den Eigenschaften
G1 | Assoziativgesetz: $(a \circ b) \circ c = a \circ (b \circ c)$ für alle $a, b, c \in G$. |
G2 | Neutrales Element: Es gibt ein $e \in G$ so dass $e \circ a = a$ für alle $a \in G$ gilt. |
G3 | Inverses Element: Für alle $a \in G$ existiert ein $a' \in G$ mit $a' \circ a = e$. |
Falls zusätzlich das Kommutativgesetz, $$ a \circ b = b \circ a \quad \text{für alle } a, b \in G, $$ gilt, so heißt die Gruppe abelsch.
Beweis
Bemerkung 1.3 zu Gruppen
Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe. Es gilt:
i) | Ist $a'$ invers zu $a \in G$, dann gilt $a \circ a' = e$. Das heißt wenn das inverse Element $a'$ von $a$ von rechts durch die Verknüpfung $\circ$ mit dem Element $a$ verknüpft wird, so ergibt dies ebenfalls das neutrale Element $e$. In G3 wird lediglich die Existenz eines inversen Elements $a'$ beschrieben, welches durch die Verknüpfung $\circ$ von links mit dem Element $a$ das neutrale Element ergibt. Hier wird also beschrieben, dass die Reihenfolge der beiden Elemente $a$ und $a'$ bei deren Verknüpfung keine Rolle spielt und $a \circ a' = a' \circ a=e$ gilt. |
ii) | Sei $e \in G$ ein neutrales Element. Dann gilt $a \circ e = a$ für alle $a \in G$. Das heißt wenn das neutrale Element $e \in G$ von rechts durch die Verknüpfung $\circ$ mit dem Element $a$ verknüpft wird, so ergibt dies ebenfalls das Element $a$. In G2 wird lediglich die Existenz eines neutralen Elements $e$ beschrieben, welches durch die Verknüpfung $\circ$ von links mit dem Element $a$ wieder das Element $a$ ergibt. Hier wird also beschrieben, dass die Reihenfolge bei der Verknüpfung eines Elements $a$ mit dem neutralen Element $e$ keine Rolle spielt und $a \circ e = e \circ a=a$ gilt. |
iii) | Es gibt genau ein neutrales Element $e \in G$. |
iv) | Zu jedem Element gibt es genau ein inverses Element $a'$, welches man auch mit $a^{-1}$ bezeichnet. Hier wird die Eindeutigkeit des inversen Element beschrieben. |
Beweis
i) | Zu $a' \in G$ existiert nach der Definition von Gruppen G3 ein inverses Element $ (a')'=a'' \in G$ mit $a'' \circ a' = e$. Es folgt \begin{align*} a \circ a' &= e \circ (a \circ a') \\ &\text{hier wird das neutrale Element} \ e \ \text{durch} \ a'' \circ a' \ \text{ersetzt} \\ &= (a'' \circ a') \circ (a \circ a') \\ & \text{nach G1 spielt es keine Rolle welche Elemente zuerst verknüpft werden} \\ &\overset{\text{G1}}{=} a'' \circ ((a' \circ a) \circ a') \\ & \text{Da} \ a' \circ a \ \text{das neutrale Element} \ e \text{ergibt, kann dies ersetzt werden} \\ &\overset{\text{G3}}{=} a'' \circ (e \circ a') \\ & \text{Die Verknüpfung mit dem neutralen Element} \ e \ \text{verändert das Element} \ a' \ \text{nicht} \\ &\overset{\text{G2}}{=} a'' \circ a' \\ & \text{da} \ a'' \ \text{das inverse Element zu} \ a' \ \text{ist, ergibt dies das neutrale Element} \ e \\ &= e. \end{align*} |
ii) | Es gilt \begin{align*} a \circ e &\overset{\text{G3}}{=} a \circ (a' \circ a) \\ & \text{das neutrale Element} \ e \ \text{ wird durch} \ a' \circ a \ \text{ersetzt} \\ &\overset{\text{G1}}{=} (a \circ a') \circ a \\ & \text{nach G1 spielt es keine Rolle welche Elemente zuerst verknüpft werden} \\ &\overset{(i)}{=} e \circ a \\ & \text{wegen i) kann wegen} \ a \circ a' = e \ \text{der Term} \ a \circ a' \ \text{durch} e \ \text{ersetzt werden} \\ &\overset{\text{G2}}{=} a. \end{align*} |
iii) | Sei $e'$ ein weiteres neutrales Element neben dem neutralen Element $e$, welches in G2 beschrieben wird. Es wird nun gezeigt, dass dieses weitere neutrale Element $e'$ das selbe sein muss, wie das neutrale Element $e$. Verknüpft man das weitere neutrale Element $e'$ mit dem neutralen Element $e$ so folgt: \begin{align*} e' &\overset{\text{G2}}{=} e' \circ e \\ & \overset{(ii)}{=} e \end{align*} da die Verknüpfung mit einem neutralen Element nach i) das Element mit dem dieses Verknüpft wird nicht verändert (auch wenn das Element mit dem es verknüpft wird, das neutrale Element ist). |
iv) | Sei $a'$ das inverse Element zu $a$ nach G3. Das heißt es gilt $a' \circ a = a \circ a'=e$. Sei $a^{*}$ ein weiteres inverses Element zu $a$. Das heißt es gilt $a^{*} \circ a = a \circ a^{*}=e$. Nun wird gezeigt, dass $a'=a^{*}$ gilt. \begin{align*} a' &=a' \circ e \\ & \text{da} \ a^{*} \ \text{ein inverses Element zu} \ a \ \text{ist, kann} \ e \ \text{durch} \ a \circ a^{*} \ \text{ersetzt werden} \\ &= a' \circ ( a \circ a^{*}) \\ &= (a' \circ a ) \circ a^{*} \\ &= e \circ a^{*} \\ &= a^{*} \end{align*} |
Bemerkung 1.4 zu Gruppen
Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe und $a, b \in G$. Es gilt:
i) | $(a^{-1})^{-1} = a$, |
ii) | $(a \circ b)^{-1} = b^{-1} \circ a^{-1}$. |
Beweis
i) | Nach Bemerkung 1 zu Gruppen iv) existiert zu $a^{-1}$ genau ein inverses Element. Da $a \circ a^{-1} = e$, ist $a$ das eindeutige inverse Element zu $a^{-1}$. Es folgt $(a^{-1})^{-1} = a$. |
ii) | Seien $a, b \in G$ Elemente der Gruppe $(G, \circ)$. Es wird gezeigt, dass das inverse Element von $a \circ b$ aus $b^{-1} \circ a^{-1}$ besteht, indem gezeigt wird, dass die Verknüpfung der beiden Elemente das neutrale Element $e$ ergibt. |
\begin{aligned}
(a \circ b) \circ (b^{-1} \circ a^{-1}) &= a \circ (b \circ b^{-1} ) \circ a^{-1} \\
&= a \circ e \circ a^{-1} \\
&= a \circ a^{-1} \\
&= e
\end{aligned}
Beispiel 1.5 zu Gruppen
1. | $(\mathbb{Z}, +)$, die Menge der ganzen Zahlen mit der Addition.\\ Das neutrale Element ist $e=0$,\\ Das inverse Element zu $n \in \mathbb{Z}$ ist $-n \in \mathbb{Z}$.\\ Dies gilt auch für $(\mathbb{Q}, +)$ und $(\mathbb{R}, +)$. |
2. | $(\mathbb{R}^\times, \cdot)$, wobei $\mathbb{R}^\times = \mathbb{R} \setminus \{0\}$.\\ Das neutrale Element ist $e=1$,\\ Das inverse Element zu $a \in \mathbb{R}$ ist $\frac{1}{a} \in \mathbb{R}$.\\ Dies gilt auch für $(\mathbb{Q}^\times, \cdot)$ und $(\mathbb{R}_{>0}, \cdot)$. |
3. | $(\{\pm 1\}, \cdot)$ ist eine Gruppe mit 2 Elementen. Die Gruppentafel lautet \begin{align*} \begin{array}{c|cc} \cdot & +1 & -1 \\ \hline +1 & +1 & -1 \\ -1 & -1 & +1 \\ \end{array} \end{align*} |
4. | Hier betrachten wie für eine natürliche Zahl $n$ die Menge $\mathbb{Z} / n \mathbb{Z}$ der Äquivalenzklassen von $\mathbb{Z}$ bezüglich der Äquivalenzrelation Kongruenz modulo $n$, aus Kapitel 1.7.3.\\ Wir definieren eine innere Verknüpfung auf $\mathbb{Z} / n \mathbb{Z}$ durch \begin{align*} \left[ a \right] _n + \left[ b \right]_n := \left[ a + b \right] _n. \end{align*} Dabei sind $a, b \in \mathbb{Z}$ Repräsentanten der entsprechenden Äquivalenzklassen. Wir nennen $[a + b]_n$ auch die \textit{Summe der Äquivalenzklassen} $[a]_n$ und $[b]_n$. Die Definition dieser Summe ist unabhängig von der Wahl der Repräsentanten und damit wohldefiniert. Denn sind $a' \in [a]_n$ und $b' \in [b]_n$ andere Repräsentanten, so gilt $$ [a' + b']_n = [a + b]_n. $$Die Menge $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ wird mit dieser Summe von Äquivalenzklassen zu einer abelschen Gruppe. |
5. | Sei $M$ eine Menge. Definiere $$ S(M) = \{ f : M \to M \mid f \text{ist bijektiv} \}, $$ die Menge der bijektiven Abbildungen von $M$ nach $M$, und $$ \circ : S(M) \times S(M) \to S(M), \quad (f, g) \mapsto f \circ g, $$ die Komposition von Abbildungen. Damit ist $\left( S(M), \circ \right)$ eine Gruppe.\\ Neutrales Element ist die Identitätsabbildung, $\text{id}_M : M \to M, \, m \mapsto m$.\\ Inverses Element zu $f$ ist $f^{-1}$, die Umkehrabbildung zu $f$. |
Beweis
Lemma 1.6 zu Gruppen
Sei $(G, \circ)$ eine Gruppe. Für $a,b,c \in G$ folgt aus $a \circ c =b \circ c$ stets $a=b$ und aus $c \circ a=c \circ b$ folgt ebenfalls stets $a=b$.
Beweis
Verknüpfe $a \circ c =b \circ c$ von rechts mit $c^{-1}$ und erhalte $a \circ c \circ c^{-1}=b \circ c \circ c^{-1} \Leftrightarrow a \circ e=b \circ e \Leftrightarrow a=b$.
Verknüpfe $c \circ a=c \circ b$ von links mit dem inversen Element $c^{-1}$ von $c$ und erhalte
\begin{align*}
c^{-1} \circ c \circ a=c^{-1} \circ c \circ b \Leftrightarrow e \circ a=e \circ b \Leftrightarrow a=b
\end{align*}.
Definition 1.7: Halbgruppe
Eine Halbgruppe ist ein Paar $(S, \circ )$, bestehend aus einer Menge $S$ und einer Abbildung $\circ :S \times S \rightarrow S, (a,b) \mapsto a \circ b$ mit der Eigenschaft der Assoziativität:
\begin{align*}
a \circ (b \circ c)=(a \circ b) \circ c$ für alle $a,b,c \in S
\end{align*}
Beweis
Definition 1.8: Untergruppe
Sei $G$ eine Gruppe. Eine Teilmenge $U \subset G$ heißt Untergruppe von $G$ falls gilt:
1. | $e \in U$ (Neutrales Element von $G$ in $U$) |
2. | $a,b \in U \Rightarrow a \circ b \in U$(Abgeschlossenheit) |
3. | $a \in U \Rightarrow a^{-1} \in U$ (Inverses) |
Beweis
Aufgabe 1.9 zu Gruppen
Sei $n \in \mathbb{N}, n > 0$. Für $x, y \in \mathbb{Z}$ schreiben wir \[ x \equiv y \pmod{n} \iff n \text{ teilt } x - y. \]
(a) | Zeigen Sie, dass $\equiv \pmod{n}$ eine Äquivalenzrelation ist. |
(b) | Wir betrachten nun die sogenannten Restklassen einer Zahl $k \in \mathbb{Z}$, definiert durch \[ [k]_n = k + n\mathbb{Z} = \{k + nz \mid z \in \mathbb{Z}\}. \] In einer solchen Restklasse liegen also alle Zahlen, die bei Division durch $n$ den gleichen Rest wie $k$ ergeben. Die Menge aller Restklassen schreibt man als $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$.\\ Zeigen Sie $\mathbb{Z}/n\mathbb{Z} = \{[0], [1], \ldots, [n - 1]\}$. |
(c) | Wir definieren Addition und Multiplikation von Restklassen mod $n$ durch \[ [a]_n + [b]_n := [a + b]_n, \] \[ [a]_n \cdot [b]_n := [a \cdot b]_n. \] Zeigen Sie, dass diese Verknüpfungen wohldefiniert sind, dass sie assoziativ und kommutativ sind, und dass $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ eine abelsche Gruppe ist. Zeigen Sie, dass $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, \cdot)$ im Allgemeinen keine Gruppe ist. |
Beweis
(a) |
| ||||||
(b) | Die Klassen $[0]_n, \ldots, [n - 1]_n$ sind verschieden, weil $i \equiv j$ für $i \neq j$ und $i, j \in \{0, \ldots, n - 1\}$ nicht der Fall ist. Ist $m \in \mathbb{Z}$, so können wir $m$ mit Rest durch $n$ teilen, d.h. es gibt $k, r \in \mathbb{Z}$ mit $0 \leq r < n - 1$ so dass $m = kn + r$. Modulo $n$ gilt $[m]_n = [kn + r]_n = [r]_n$, d.h. $[m]_n$ ist einer der Klassen $[0]_n, \ldots, [n - 1]_n$. | ||||||
(c) | Wir müssen zeigen, dass aus $a \equiv a'$ mod $n$ und $b \equiv b'$ mod $n$ folgt, dass $a + b \equiv a' + b'$ mod $n$ und $ab \equiv a'b'$ mod $n$. Die Voraussetzung bedeutet, dass es $k, l \in \mathbb{Z}$ gibt mit $a = a' + kn$ und $b = b' + ln$. Es folgt \[ a + b = a' + kn + b' + ln = a' + b' + (k + l)n \equiv a' + b' \pmod{n} \] und \[ ab = (a' + kn)(b' + ln) = a'b' + a'ln + b'kn + kln^2 \equiv a'b' \pmod{n}. \] Dies zeigt, dass Addition und Multiplikation wohldefiniert sind. Assoziativität und Kommutativität folgen aus den entsprechenden Eigenschaften von $+$ und $\cdot$, z.B. \[ ([a]_n + [b]_n) + [c]_n = [a + b]_n + [c]_n = [(a + b) + c]_n = [a + (b + c)]_n = [a]_n + ([b]_n + [c]_n). \] Das neutrale Element von $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ ist $[0]_n$, denn \[ [a]_n + [0]_n = [a + 0]_n = [a]_n. \] Zu jedem $[a]_n \in \mathbb{Z}/n\mathbb{Z}$ gilt \[ [a]_n + [-a]_n = [a - a]_n = [0]_n. \] $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, +)$ ist also eine abelsche Gruppe.\\ $(\mathbb{Z}/n\mathbb{Z}, \cdot)$ ist im Allgemeinen keine Gruppe, da z.B. für $a = 0$ das Inverse $a^{-1}$ nicht existiert. |